Auf nach Cherbourg!
- janfischer-klm
- 23. Aug. 2021
- 4 Min. Lesezeit
von Dieppe aus in die „westliche Welt“ entlang der französischen Kanalküste

Mal wieder hängt die Tagesplanung von den Gezeiten ab. Unser Ziel ist Fecamp, welches von Dieppe ca. 32 Meilen entfernt in Richtung Westen liegt. Bei Wind gegenan werden daraus also theoretisch 45 Meilen und bei guten Bedingungen neun Stunden Segelzeit - 17 Uhr Ankunft heißt also 8 Uhr Auslaufen. Na gut, wir schaffen 8:15 Uhr. Die Welle ist noch kräftig und passt nicht zum inzwischen moderaten Wind von etwa 10 Knoten. So ringen wir Meile um Meile dem Ziel entgegen. Mit großzügigen Kreuzschlägen, unterstützt von der Strömung, kommen wir gut voran. Bald lässt die Welle nach und der Wind frischt noch ein wenig auf. Am Ende fehlen jedoch die entscheidenden 5 Meilen zum Ziel. Bei immer schwächer werdendem Wind muss der Motor gegen die Strömung die letzte Etappe überbrücken. Nach dem lebhaften Dieppe ist Fecamp nahezu erschreckend ruhig. Ein kleiner Rundgang durch einen Teil des Ortes lässt uns einen flüchtigen Eindruck gewinnen. Dabei wird es aber bleiben, da es gleich am nächsten Morgen zeitig weitergeht.
Das eigentliche Ziel Le Havre haben uns unsere Bootsnachbarn in Dieppe ausgeredet und aus ihren jahrelangen Erfahrungen heraus uns zahlreiche andere Möglichkeiten nahegebracht. Unsere Entscheidung fällt auf Ouistreham. Weiter geht es die beeindruckende Steilküste entlang, vorbei an dem „Elefanten“ – eine in der Form eines Elefanten ausgewaschenen Kreidemassivs. Kurz danach verlässt uns jedoch der Wind und es geht mit Motor weiter, …und weiter und weiter. In diesig trüben Wetter kreuzen wir die Einfahrt nach Le Havre bzw. die Mündung der Seine. Fast hätten wir es verpasst, aber dabei übersegeln wir den Nullmeridian. Ab jetzt bewegen wir uns in der „westlichen Welt“ – zumindest nach der Festlegung der Seefahrer und Astronomen damaliger Zeit. Da kommen die Erinnerungen an einen Besuch der Sternwarte in Greenwich vor ein paar Jahren auf. Es ist schon beeindruckend, wie aus den damaligen Überlegungen zur Zeitmessung und Navigation heute unsere Navigation mit GPS und Tablet geworden ist. …ein ehrfürchtiger Blick auf die bisher wenig beachtete Seekarte ist die Folge.
Eine kleine Brise lässt noch einmal einen Versuch zum Segeln zu. Zum Zeitvertreib probiere ich die in Dieppe gekaufte Angel aus und habe spontan Erfolg. Das Abendessen ist dank des Fangs von vier prächtigen Makrelen gesichert. Andere Meeresbewohner erfreuen uns ebenfalls. Eine Gruppe großer Delfine kreuzt unseren Weg - ein prächtiger Anblick.
Dann stehen wir vor der Schleuse in den Kanal nach Caen und warten. Eigentlich gibt es festgelegte Zeiten, doch diese nimmt man hier wohl nicht so genau. Bei der Nachfrage eines anderen Schiffes über Funk nach einer knappen Stunde Warten wird die Öffnung der Tore in zehn Minuten angekündigt – daraus werden knapp dreißig. In dem ruhigen Kanal hat die Marina fast den Eindruck eines Binnenreviers. Beim Anmelden im Office dann die erschreckende Nachricht, dass der Hafen in Cherbourg wohl wegen des Fastnet-Races gesperrt sei. Ein Anruf des sehr freundlichen und engagierten Hafenmeisters in Cherbourg bestätigt das. Unsere weitere Planung kippt, da wir in Cherbourg die nächste Übergabe beplant haben. Na mal sehen…
Am nächsten Morgen geht’s jedenfalls weiter – nur eine kleine Etappe nach Port en Bessin. Diesmal sind wir viel zu früh am Ziel und ankern im Vorhafen, bis das Tor zum inneren Hafen geöffnet wird. Die kleine Durchfahrt ist zwar sehr schmal, aber dafür macht der Ort dahinter einen einladenden Eindruck. Ein belebter Ort, der scheinbar von vielen Urlaubern besucht wird. Allgegenwärtig ist die Erinnerung an den D-Day. Museen, Ausstellungen und auch Banner an allen Laternen machen das Ereignis intensiv präsent. Es stimmt auf jeden Fall sehr nachdenklich, hier, in diesem Fall am sogenannten Gold-Strand, zu sein. Szenen aus Dokumentationen und Filmen rufen sich in Erinnerung und machen bewusst, dass es keine Selbstverständlichkeit ist, heute hier freizeitmäßig entlangzuschippern.
In dieser Weise segelt es sich am nächsten Tag an Omaha-Beach und Utah-Beach entlang. Unsere neue Planung sieht als Ziel und Endstation Saint-Vaast-la-Houge, kurz vor Cherbourg vor. Auch wenn es erst Mittwoch ist und am Sonntag der Crewwechsel bevorsteht, wird das Wetter keinen weiteren Segeltag zulassen. Beim Blick auf den Regattaplan des Fastnet-Races stellen wir jedoch fest, dass diese erst am Sonntag in England startet. Ein Anruf – gerade sind wir noch im Netz – in Cherbourg bringt dann doch die Erleichterung. Dank der bescheidenen Größe unseres Schiffes, findet man einen Platz für uns den wir euphorisch reservieren lassen.
Mit dieser positiven Meldung ändern wir den Kurs und können bei sommerlichen Segelbedingungen zum ersten Mal den Code Zero in Gebrauch nehmen. Vorbei geht es am Leuchtturm von Gatteville, der mit seinen 75 Metern Höhe der zweithöchste von Europa ist. Mit diesem gebührlichen Abstand ersparen wir uns auch die 365 Stufen für den Aufstieg. Wir merken aber bald, dass der Turm eine erhebliche Bedeutung hat, da er die nächste Enge im Ärmelkanal markiert. Wild strukturierter Felsengrund machen die Strömung wild. Mit Motorunterstützung läuft es jedoch reibungslos bis zur gigantischen Hafenanlage von Cherbourg. Das riesige Festungsbauwerk umschließt ein weites Areal und in einer kleinen Ecke dann immerhin die dennoch sehr große Marina. Über Funk lassen wir uns noch einmal den Liegeplatz bestätigen und liegen kurz danach komfortabel fest – die Heimstadt für die nächsten sechs stürmisch durchwachsenen Tage.

































































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