Biskaya - von Irland nach Spanien
- janfischer-klm
- 19. Dez. 2021
- 5 Min. Lesezeit

Der 12. September ist ein besonderer Tag – wir starten zur Überquerung der Biskaya. Das vor langem festgelegte Ziel ist A Coruna im Norden Spaniens. Robert bleibt nach dem Familiensegeln der vergangenen Tage an Bord. Zwei Wochen haben wir Zeit, bis der Flieger in Vigo startet. Natürlich weiß man bei der Vorplanung nicht, ob das alles so passt. 530 Meilen liegen bei direktem Weg zwischen den Küsten. Als Tagesetmal rechnen wir mit 120 Meilen, müssten also in etwa 4 ½ Tagen die Strecke schaffen. Bei der Wetterprognose planen wir lieber großzügiger und schauen, was die nächsten 5 bis 6 Tage bringen. Die Aussichten sind gut, wenn das Tief sich wirklich so viel Zeit lässt, und erst am Freitag sich der Iberischen Halbinsel nähert. Noch ist es südlich von Irland etwas lebhaft, aber es zieht uns ohnehin erst einmal mehr nach Westen.

So ist der Entschluss gefasst: Ablegen am 12.09.2021 um 13 Uhr in Waterford. Da der Tidenstrom um 10:30 Uhr kippt, sollten wir kräftige Unterstützung auf dem Weg raus in die Keltische See haben. Das Wetter ist trüb und regnerisch – es wird wohl Zeit, Irland zu verlassen.
Die letzten Frischwaren werden eingekauft, Wasser gebunkert und der Dieseltank aufgefüllt. – Schön wär´s - weit und breit keine Tankstelle. Mit dem Taxi irgendwohin – dafür wollen wir uns nicht die Zeit nehmen und verzichten lieber auf die fehlenden etwa 15 Liter im Tank. Eine Entscheidung, die uns später Kopfzerbreche bereiten wird.
Pünktlich 13:00 Uhr heißt es „Leinen los“. Unter Motor fahren wir die 12 Meilen den Fluss entlang. Zwar können wir heute die Landschaft bei Tageslicht betrachten, werden aber in unseren Vermutungen einer bezaubernden Kulisse eher enttäuscht.
Auch wenn wir um 15 Uhr das letzte Tonnenpaar der Ausfahrt passieren, setzt erst sieben Meilen weiter ausreichender Wind ein – Nordost mit 7-10 Knoten. Unter Großsegel und Genacker starten wir das Segelabenteuer. Über Funk hören wir die irische Küstenwache mit der Starkwindwarnung für den Bereich südlich Irlands. Wir versuchen unseren Kurs so zu wählen, dass wir am Kern nördlich vorbeischliddern. Da die Empfehlung ist, ohnehin erst bis zum 8. Grad westlicher Breite zu segeln und dann nach Süden abzudrehen, passt unser Kurs Südwest prima. Der Vorteil dieses Weges ist, nicht über die harte Schwelle des Europäischen Kontinentalmassives zu segeln. Hier ändert sich die Wassertiefe von etwa 400m auf über 4000m nahezu schlagartig, was eine Ursache für die berüchtigte Gefährlichkeit der Biskaya ist. Segelt man jedoch bis zum 8. Breitengrad, erstreckt sich die Tiefenänderung über mehrere zig Meilen, was die See deutlich milder gestalten sollte.
Nachdem der Nieselregen aufgehört hat, wird es wolkiger und der Wind frischt stetig auf. Der Genacker verschwindet in der Backskiste und bald muss das erste Reff eingezogen werden. Da wir nachts ohnehin mit weniger Segelfläche unterwegs sein wollen, kommt auch bald das 2. Reff und ohne Genua geht es noch einmal entspannter voran. Auf weiten Strecken begleiten uns Delfine, die im nächtlichen Licht schimmernd um uns herumtanzen. Immer noch ist in der Ferne die Küste Irlands zu sehen oder zu erahnen und bald kreuzen wir große Felder von Gasförderstädten – ein vielseitiges Lichterfunkeln mitten auf dem weiten Wasser.
Die erste Nacht muss zeigen, ob unser Wachsystem funktioniert. Nach dem Abendessen legt sich zunächst Robert zum Schlafen hin. Wir haben verabredet, immer zwei Stunden tatsächliche Ruhephase zu haben. So startet der Timer mit dem jeweiligen „Gute Nacht“. Dies nimmt Unruhe aus den Übergabephasen und keiner kommt mit dem Schlaf zu kurz. Zwar verschieben sich die Zeiten über die Nacht hinweg, aber in der Summe kann jeder gut in den nächsten Tag starten.

In der Nacht, mit dem Nachlassen des Windes, hat dieser nach Südosten gedreht. So segeln wir zügig mit knapp halbem Wind weiter nach Südwesten. Nach 24 Stunden, am Montag um 13:00 Uhr haben wir bereits 136 Meilen im Kielwasser. Das 13-Uhr-Bier wird ab heute zur guten Tradition für die nächsten Wochen. Es bleibt jedoch der einzige Alkohol auf See. Am Abend schläft der Wind nahezu ein und wir müssen die ersten zehn Meilen auf dieser Überfahrt unter Motor absolvieren. Beim nächtlichen Auffrischen des Windes reißt uns die Leine des ersten Reffs. Na gut, es gibt ja noch ein 2. Reff. Die Nacht wird über weite Strecken klar und wir bewundern das erste Mal die unendliche Anzahl von Sternen – nahezu ohne ein Fremdlicht. Einzig unsere Dreifarbenlaterne im Topp ist störend. Ein gigantischer Eindruck.
Am Morgen des 14. September – dem 3. Tag auf See schwächelt der Wind abermals. Erst drei Stunden später frischt es soweit auf, dass sich Segeln lohnt. Das Groß mit Genua, Genacker oder Code Zero sind die wechselnden Beseglungen. So sind wir mit Segeln beschäftigt, erneuern das 1. Reff und genießen einen herrlich sonnigen Tag im Nichts der Weite der Biskaya.
Nach 48 Stunden stehen 259 Meilen auf unserem Log – 123 Meilen für den vergangenen Tag. Noch sind wir im Plan. Doch die über Satellit abgerufenen Wetterdaten machen es uns schwer. Wir müssen weiter nach Westen, um etwas mehr Wind zu bekommen. Für Freitag ist dann bei Spanien ein sturmträchtiger Tiefausläufer angekündigt. Es wird eine Gratwanderung und wir müssen mindestens die 5 Knoten Durchschnittsgeschwindigkeit halten.

Die Nacht hindurch segeln wir weiter bei entspannten 7-9 Knoten Wind.. Nachdem der leuchtend helle Mond untergegangen ist, gibt sich der vollständig klare Sternenhimmel zu erkennen. Ein Eindruck, der ewig in Erinnerung bleiben wird.
Kurz nach Sonnenaufgang des 4. Tages muss dann der Motor mal wieder ein paar Meilen helfen. Den Tag über macht sich immer mehr der Atlantikschwell aus Nordwesten bemerkbar. Hügel um Hügel rollt heran hebt das Schiff und rollt davon. Es ist beeindruckend und wir gewöhnen uns gut daran, immer nur oben auf dem Berg die Sicht zum Horizont zu haben. Angekündigt waren 2,5m – die sind es mit Sicherheit! Ebenso gewöhnungsbedürftig ist das Flappen der Segel, immer dann, wenn die Welle das Schiff beschleunigt und der Winddruck nicht ausreicht, die Segel zu füllen. Der Bullenstander am Großbaum tut dabei verlässlich seinen Dienst. Die Wassertemperatur ist inzwischen auf 21°C gestiegen – schon so weit südlich oder der Golfstrom? Später stellt sich heraus, es ist der Golfstrom.
Am Mittag haben wir 364 Meilen hinter uns, noch liegen wir im Plan, auch wenn es in den letzten 24 Stunden nur 115 Meilen waren. Der Diesel reicht aber auf keinen Fall für die gesamte Strecke. In dieses Grübeln mischt sich die wunderbare Beobachtung, einen Wal auftauchen zu sehen. Inden Wellentälern hören wir ihn jeweils ausblasen und erkennen etwa 150m hinter uns seinen Rücken und dann sein Abtauchen. Es bleibt für uns die Walart unerkannt.
Am Nachmittag ebbt der Wind immer mehr ab und über mehrere Stunden laufen wir am Nachmittag und auch dann auch in der Nacht unter Maschine dem Ziel entgegen. Sowie wir segelbare 7 Knoten Wind erreichen, segeln wir. Die See wabert inzwischen bleiern dahin. Auch der 4 Tag bringt nur 114 Meilen als Etmal. Am Mittag des 16.09. knacken wir die 100-Meilen-Marke des noch zurückzulegenden Weges. Leider ist das der Zeitpunkt, als gar nicht mehr zu gehen scheint – Motor an. 20 von 30 Litern der Reservekanister Diesel wandern in den Tank. Die angekündigte Brise am Abend und zunehmender Wind die Nacht hindurch bleiben aus.
Es ist Freitagmorgen, der 17. September. Frühzeitig können wir die Lichter und Leuchtfeuer des spanischen Festlandes ausmachen. Zahlreiche Fischer tummeln sich vor der Küste, sind aber stets durch Lichterführung und AIS gut auszumachen. Im Wettstreit mit Ihnen jagen immer wieder zahlreiche Delfine durch die morgendliche See.
Über den Bergen des spanischen Festlandes taucht die Sonne auf und fast zeitgleich lebt der Wind auf – allerdings jetzt aus südlichen Richtungen. Noch 20 Meilen - aus denen am Ende 37 Meilen werden - sind es bis nach A Coruna. Wind von vorne und lebhaft mit den Schauern drehende Winde, Böen bis 19 Knoten machen die letzten Meilen herausfordernd.
Es scheint wieder die Sonne, als wir um 13 Uhr Ortszeit – also nach fünf Tagen und einer Stunde – im Realclub Nautico von A Coruna glücklich und „stolz wie Bolle“ festmachen. Von den insgesamt 602 Meilen waren es dann doch immerhin 434,5 Meilen unter Segel.

























































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